Ratgeber Elektronik Das kommt mir nicht in die Tonne!
Geht etwas kaputt, wirft man es weg. Oder? Die ehrenamtlichen Bastler im Repair Café in Hannovers Nordstadt sehen das anders und zeigen den Gästen, wie sie defekte Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik und vieles mehr selbst reparieren können. Ein Werkstattbesuch.
Das Ehepaar Roselieb steht vor einer Werkbank in der großen Werkstatt in Hannovers Nordstadt und schaut auf das monströse Gerät. Gerade haben die beiden diesen riesigen Einbauherd auf den massiven Holztisch gewuchtet. Neunzig Zentimeter breit ist das silbergraue Ungetüm in das auch mal ein Braten in Übergröße passt, eine ganze Gans oder ziemlich viel Pizza. Praktisch ist das Gerät, aber leider auch kaputt.
Das sagte jedenfalls der Kundendienst des Herstellers, der zweimal bei den Roseliebs war. Und die Ersatzteile gäbe es nicht mehr, nach 14 Jahren sei das nun mal so. Die Roseliebs wollten sich damit nicht abfinden. Also sind sie an diesem regnerischen Novembersamstag ins Repair Café gefahren, mit dem Ofen im Kofferraum.
Die Idee hinter dem Repair Café: Bei Kaffee und Kuchen helfen Ehrenamtliche den Besuchern, ihre mitgebrachten Dinge zu reparieren. Das Angebot in den Räumen der Stadt-Teil-Werkstatt in der Nordstadt, die zum Verein Werk-statt-Schule gehört, ist kostenlos. Die ehrenamtlichen Helfer freuen sich aber über Spenden.
Volker Gorsky gehört zu diesen Helfern, und er ist Elektroexperte. Dass der Ofen wirklich aus sein soll bei den Roseliebs, daran will er nicht so recht glauben. Zusammen schrauben sie die Metallverkleidung auf und machen einen Testlauf. Das Ersatzteil, das es angeblich nicht mehr gibt, findet er im Herstellerkatalog. „Und selbst wenn wir das nicht mehr bestellen können: Wir finden eine Lösung“, sagt Gorsky und streicht sich über den Hosenträger des Blaumanns. Er lächelt. Die Roseliebs lächeln. Alles wird gut.
Die Werkstatt ist ein Schlaraffenland für Werkzeugfreunde. An den Wänden, auf den Werkbänken und darunter, in Metallschränken: überall Werkzeug, Messgeräte, Schrauben und wohl fast alles, was man im Fachhandel kaufen kann.
An jeder Werkbank wird angepackt
Es ist ein „Kriegen wir hin“-Gefühl, das man an vielen Werkbänken im Repair Café spürt. Die wenigsten kommen hierher, weil sie sich etwas Neues nicht leisten könnten. Die Besucher eint der Unwille, ihre Haushaltsgeräte oder Unterhaltungselektronik als kaputt anzuerkennen, wenn doch eben noch alles heile war. An diesem Samstag haben die etwa drei Dutzend Besucher allerlei in die Werkstatt getragen. Darunter: E-Piano, Kopfhörer, Kaffeemaschine, Wasserkocher, Fernseher, Diaprojektor, Hochdruckreiniger, Nähmaschine, Computer und auch einen Spaten. Am Empfangstisch, der eine Blechschneidemaschine ist, haben sie ein Formular ausgefüllt und warten dann, dass einer der Helfer kommt und mit ihnen am Mitgebrachten schraubt. Die meisten gehen an diesem Tag mit einem reparierten Gerät wieder nach Hause.
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Wenn etwas kaputt ist, dann kann man nur noch gewinnen
Bevor man im Repair Café gemeinsam den defekten Haushalts- und Küchengeräten, Fernsehern, Wasserkochern und allem anderen eine zweite Chance gibt, unterschreiben die Besucher, dass das Mitgebrachte null Euro wert ist. „Man kann dann nur noch gewinnen“, sagt Organisator Velten Wilharm. Es ist aber auch eine Absicherung, falls beim Reparierversuch etwas halb Kaputtes ganz in die Brüche geht.
Velten Wilharm ist der Initiator der Stadt-Teil-Werkstatt, in deren Räumen das Repair Café seit drei Jahren an zwei Samstagen im Monat öffnet. Wilharm ist ein Anhänger der Sharing Economy. Es geht darum, etwa die selten gebrauchten Werkzeuge zu teilen. In der Stadt-Teil-Werkstatt kann man für 45 Euro eine Jahreskarte kaufen und dann für sechs Euro pro Stunde von Mittwoch bis Freitag am Nachmittag die Werkstatt nutzen, dabei von der Erfahrung der Ehrenamtlichen profitieren oder auch Geräte mit nach Hause nehmen. Ein Teil der Ausstattung stammt von Wilharm selbst. Ganz leicht fiel es ihm nicht, einen Großteil seiner Geräte und Werkzeuge in die Stadt-Teil-Werkstatt zu geben.
Hilfe zur Selbsthilfe, das ist der Ansatz dieser Werkstatt. „Lernen ist meine Leidenschaft“, sagt Wilharm. Mit 33 fand er zu dem, was ihm wirklich Spaß brachte: eine Lehre zum Zweiradmechaniker. Er renovierte das Haus seiner Schwester in Bremen, schraubte nebenbei an Fahrrädern, machte seinen Meister und dann noch den Nähmaschinenmeister, später brachte er vorgeblich schwierigen Jugendlichen das Handwerk bei. Nach einer schweren Krankheit ist er Frührentner. Es geht nicht mehr alles wie früher, aber die Werkstatt führt er mit viel Elan.
Reparieren macht Kaputtes wieder heile – und schafft Selbstvertrauen
Wer etwas lernt und das dann wieder anwenden kann, der spürt dabei immer auch ein bisschen Glück. Deswegen geht es beim Repair Café auch nicht nur ums Reparieren, sondern auch ums Selbermachen. „In unserer Gesellschaft herrscht erlernte Hilflosigkeit“, sagt Wilharm. Was etwas sperrig klingt, meint: Viele Menschen ergeben sich dem Konsum und verlieren die Fähigkeit, selbst zu handeln. Im Repair Café erlebe er immer wieder Menschen, die mit einer kleinen Aufgabe kommen und mit jedem Besuch wachsen, Selbstvertrauen gewinnen, das sie dann auch in anderen Lebensbereichen Probleme angehen lässt.
Früher war vieles besser, darüber sind sich unter den Bastlern die meisten einig – zumindest was die Qualität mancher Produkte angeht. Velten Wilharm glaubt nicht so recht, dass alle Dinge heute mit Absicht so gebaut sind, dass sie schnell defekt sind. Es sei eher die indirekte Folge des Preisdrucks. Da werde manchmal im Cent-Bereich gespart bei Teilen. Wenn die dann kaputtgehen, kommt das ganze Gerät auf den Müll. „Wir sind ein Volk der Schnäppchenjäger und merken nicht, wie wir dabei von Jägern zu Gejagten werden“, sagt Wilharm.
Manchmal bleibt auch etwas kaputt
Aber auch das Reparieren ist nicht immer erfolgreich. Ein Drittel der Fälle im Repair Café, schätzt Organisator Wilharm, ist nicht mehr zu retten. Das muss an diesem Samstag Elsa Reiss erfahren. Sie hat eine Nähmaschine von Phoenix mit ins Repair Café gebracht. Die Maschine näht noch, die Nadelführung ist aber ein wenig aus der Spur geraten. Nähmaschinenmeister Wilharm setzt die Brille mit der Aufstecklupe auf, betrachtet die Maschine und sagt: „Tja.“ Er könne das probieren, die Maschine öffnen – aber vielleicht geht sie danach gar nicht mehr. Die Dame grübelt kurz, aber das Risiko ist ihr dann doch zu groß. Lieber näht sie so weiter und lebt mit dem kleinen Makel. Nebenan hat ein Kollege Wilharms gerade einen Kopfhörer mit einem Lötkolben von einem Wackelkontakt befreit. Zwei Tische weiter fällt Elektroexperte Volker Gorsky das Urteil über einen gelben Hochdruckreiniger, der in Einzelteilen auf der Werkbank liegt. „Korrosion, das ist ein Totalschaden“, sagt er. Der Besitzer nickt. Er hat es immerhin versucht.
Beim Rausgehen wünschen die Ehrenamtlichen hinter dem Empfangstresen einem Besucher ohne Reparaturerfolg ein schönes Wochenende. „Bis zum nächsten Mal“, sagt eine, und formuliert dann etwas, was sich auch als Motto für das Repair Café eignen würde: „Es geht doch immer was kaputt!“
Das Repair Café in der Kniestraße 10 in Hannover ist jeden zweiten Samstag im Monat von 14 bis 17.30 Uhr geöffnet, die Stadt-Teil-Werkstatt mittwochs bis freitags von 16 bis 20 Uhr und jeden ersten Samstag im Monat von 12 bis 18 Uhr. Infos unter repaircafe-hannover.de.