Ratgeber Unterhaltung & Freizeit Geocaching extrem: Jäger und Sammler mit GPS-Gerät
Geocaching ist die moderne Form der Schnitzeljagd. Fast drei Millionen aktive „Caches“ gibt es weltweit. Für extreme Geocacher bietet die Firma High Solutions spezielle Kletterkurse an, um Verstecke auch in luftiger Höhe aufspüren zu können.
Michael hängt in der Luft. Im wahrsten Sinne des Wortes. Gut dreieinhalb Meter hat sich der Geocacher in die Höhe katapultiert, klickt Handsteigklemme und Seilrolle aus und ordnet die Seile zum Abseilen. Der 41-Jährige aus Gevelsberg im Ennepe-Ruhr-Kreis hat ein Hobby, das immer mehr Menschen in seinen Bann zieht: Geocaching – die moderne Form der Schnitzeljagd.
Mittels GPS-Geräten oder Smartphone-Navigation spüren Geocacher sogenannte Dosen in Verstecken auf. In ihrer extremsten Form sind diese auch in luftiger Höhe abgelegt worden – in Bäumen, Felsspalten, an Schornsteinen. Um an diese „Caches“ heranzukommen und sich in das dazugehörige Logbuch einzutragen, bedarf es einiger Kletterkünste. Deshalb ist Michael nach Hessen in den Main-Kinzig-Kreis gereist: „Normale Dosen werden irgendwann langweilig“, sagt er grinsend. T5-Geocaching nennt sich die Extremform – T steht für Terrain, 5 für die höchste Schwierigkeitsstufe.
Trockenübungen am „silbernen Ast“
Zwei Tage lang übt Michael in Bad Soden-Salmünster die Kunst des Kletterns. Wenige Meter von der Kinzig entfernt hat Kursleiter Andreas Uhlmann im Sport-Event-Center „Take It Easy“ einen rund sieben mal zwölf Meter großen Raum mit Pressholzplatten verkleiden lassen und mit einem hohen Stahlgerüst ausgestattet. Hinter einem Vorhang blitzen die Badminton-Plätze hervor, von nebenan hört man das Ploppen der Tennisbälle.
„Achtung, Wurf!“, ruft Andreas Uhlmann. Der fast zwei Meter große Kletterexperte schmeißt ein kleines Säckchen an einer Leine über das Stahlgerüst – der Beginn der nächsten Kletterpartie. „Wir nehmen diesen schön gerade gewachsenen silbernen Ast da oben“, scherzt Uhlmann mit Blick auf die Stahlstrebe. Fünf Teilnehmer – vier Männer, eine Frau – lauschen den Instruktionen des Fachmanns, den alle Andy nennen. Der Ton ist locker, die Atmosphäre dennoch konzentriert. Nur durch gutes Zuhören ist die richtige Umsetzung und die eigene Sicherheit gewährleistet.
Anleihen aus der Höhenrettung
„Wir legen jetzt den Fokus auf schnelle Rettungen“, so Andreas Uhlmann über den nächsten Kursabschnitt. „Die schnellste Rettung sei diejenige“, sagt der 37-Jährige, während er ein Abseilgerät in ein Seil einbaut, „die ich von unten machen kann“. Diese Art komme aus der Höhenrettung und dem Industrieklettern. Und genau das ist Uhlmanns Metier.
Der gelernte Rettungsassistent ist Geschäftsführer der Firma High Solutions, die vor allem für Industrieunternehmen in die Höhe geht – von Reparaturen an der Außenfassade bis hin zu Einsätzen an den Rotorblättern eines Windrades. „Kein Arbeitstag ist wie der andere“, sagt Uhlmann. Mit seinem außergewöhnlichen Job hat er es bis in die „Sendung mit der Maus“ geschafft.
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T5-Geocacher: Einer von weltweit mehr als sieben Millionen
Gleichzeitig bietet der selbstständige Unternehmer, der 2016 mit dem Hessischen Gründerpreis ausgezeichnet wurde, eben T5-Geocaching-Kletterkurse an. Ganz einfach darum, weil er selbst zur Riege der weltweit mehr als sieben Millionen Cacher gehört. Seit Beginn des Geocachings im Jahr 2001 ist deren Zahl permanent gestiegen, über mangelnde Nachfrage kann sich Andreas Uhlmann nicht beklagen.
Die Kurse finden an festen Wochenendterminen statt, auf Kundenwunsch auch an Sonderterminen. Von circa 9 bis 18 Uhr bekommen die Teilnehmer alle Tricks und Kniffe zur Extremform des Geocachings vermittelt – und Sicherheitshinweise, die im Zweifelsfall überlebenswichtig sein können. Nach der Theorie zum Auftakt am High-Solutions-Firmensitz in Schlüchtern geht es im rund 16 Kilometer entfernten Bad Soden an die Praxis.
Pfade abseits der Touristenrouten
„Das Schwierigste für die Teilnehmer ist es, den Überblick zu behalten“, sagt Andreas Uhlmann. Fünf Teilnehmer sind an diesem Wochenende dabei und versuchen, zwischen Seilen, Schlaufen, Schleifknoten und Seilrollen, Handsteigklemmen, Abseil- und Sicherungsgeräten nicht durcheinanderzukommen. Neben Michael aus Gevelsberg sind das Olaf aus Frankfurt sowie ein Trio aus Barsinghausen und Peine. Olaf hat sichtlich Spaß und dabei immer einen wesentlichen Geocaching-Aspekt im Hinterkopf: „Du kommst an wunderschöne Orte abseits der Touristenrouten, zu denen du sonst niemals hingehen würdest.“
Beim Aufspüren der Verstecke scheinen die Cacher vom Urtrieb des Jägers und Sammlers getrieben zu sein. Olaf nutzt zum Geocaching ein GPS-Gerät, ebenso wie Michael. „Smartphones haben nicht die Genauigkeit wie ein GPS-Gerät“, weiß dieser zu berichten. Und er erinnert im gleichen Atemzug an die Freigabe des Satellitennavigationssystems durch das US-Militär im Jahr 2000, wodurch die zivile Nutzung und damit auch das Geocaching erst möglich geworden sei. Die Zahl der aktiven Geocaches bewegt sich rasant auf die Drei-Millionen-Marke zu.
T5-Geocaching als eigene Sportart
Auf der Internetseite www.geocaching.com ist eine Vielzahl der weltweiten Caches verzeichnet. In den vergangenen 17 Jahren seit Beginn der Geocaching-Ära sind die Daten immer genauer geworden, bei der Suche helfen diverse Apps. Andreas Uhlmann hat noch einen alten Cache von 2004 versteckt, der in einem Radius von 15 Metern lokalisiert ist. „Da regen sich die Leute auf, dass ihr Handy sie nicht bis auf einen Meter heranführt“, erzählt er. Michael meint, „viele würden am liebsten mit dem Auto bis auf die Dose fahren“. Nicht so die T5-Cacher bei High Solutions.
250 Euro kostet der Kurs, der die Extrem-Geocacher in neue Höhen katapultieren soll. „Das T5-Klettern beim Geocachen ist kein alpines Klettern, kein Baum- und auch kein Industrieklettern. Es ist inzwischen zu einer eigenen Sportart geworden“, sagt Andreas Uhlmann. Neben dem Know-how stellt High Solutions aus Sicherheitsgründen auch die komplette Ausrüstung. Klettergurt, Seil, Abseil- und Sicherungsgerät – für eine Kletterausrüstung in guter Qualität muss ein Geocacher zwischen 600 und 1000 Euro hinlegen. Dafür gibt es reichlich Nervenkitzel.
Tipps vom Experten
Damit der Geocacher gut abgesichert ist, rät Andreas Uhlmann: „Immer zu zweit klettern – das ist das oberste Gebot. Erst vor Kurzem hing irgendwo wieder ein Geocacher kopfüber im Baum und musste von der Feuerwehr gerettet werden.“ Sein zweitwichtigster Tipp: „Immer einen Helm tragen.“ Das gelte nicht nur für den Kletternden, sondern auch für die unten Stehenden. „Wenn der oben einen Ast lostritt, der dem anderen auf den Kopf fällt, kann das richtig böse Folgen haben“, warnt Uhlmann.
Mit der rund zehn Kilogramm schweren Ausrüstung geht es wieder in Richtung Decke. Der Gurt spannt, die Seile sorgen für Schwielen an den Händen. Muskelkater? Noch nicht, sagen die Teilnehmer unisono. Mehr als die Hälfte des zweiten Kurstages ist da schon rum. „Die Kräfte in den Beinen lassen langsam nach“, gibt Olaf zu. Der Familienvater freut sich schon auf seine nächste Geocaching-Tour: „Wenn man mit Freunden unterwegs ist, packt einen irgendwann automatisch das Fieber, wer als Erster den Cache findet. So ist man nun noch besser abgesichert.“ Zwei Tage intensives Rumhängen können eben auch ihr Gutes haben.